Unser Zugang zu einem kontroversen Thema: In unseren Kindergärten feiern wir weder Vater- noch Muttertag. Es werden keine Geschenke selbst gebastelt und auch keine Blumen gepflückt und den Eltern geschenkt. Stattdessen haben wir uns dazu entschieden, ein pädagogisches Projekt zu starten, das sich von Mai bis Juni erstreckt. Dieses Projekt thematisiert die Diversität der Familien und wir sprechen gemeinsam über die verschiedensten Familienkonstellationen. Für die Vermittlung verwenden wir Bücher, Lieder und machen Aktivitäten, die darauf abzielen, die eigene Familiensituation jedes Kindes mit den anderen zu teilen.
Mit diesem Artikel wollen wir euch zeigen, wie wir unser Projekt „die Familien“ dieses Jahr gestaltet haben und worauf wir uns dabei fokussiert haben.
Unsere Gründe dafür, warum wir Mutter- und Vatertag in unseren mehrsprachigen Kindergärten nicht feiern
Nicht überall wird am selben Tag gefeiert
In unseren Kindergärten wird größtenteils Spanisch, Deutsch und Englisch gesprochen. Die Nationalitäten unserer MitarbeiterInnen und der Familien in La Rueda sind sehr divers. Je nach Herkunftsland sind dementsprechend auch die Daten für Nationalfeiertage ganz unterschiedlich. Als Beispiel hierfür sind die Vater- und Muttertage aus dem Jahr 2024 in einigen deutsch- und spanischsprachigen Ländern angeführt:
Muttertag in Spanien: 4. Mai
Muttertag in Österreich: 11. Mai
Muttertag in Deutschland: 11.Mai
Muttertag in Argentinien: 20. Oktober
Muttertag in Mexiko: 10. Mai
Muttertag in Kolumbien: 11. Mai
Vatertag in Spanien: 19. März
Vatertag in Österreich: 9. Juni
Vatertag in Deutschland: 9. Mai
Vatertag in Argentinien: 16. Juni
Vatertag in Mexiko: 16. Juni
Vatertag in Kolumbien: 16. Juni
Obwohl die einfachste Lösung wäre, den jeweiligen Tag am österreichischen Datum zu feiern, ist unsere Alternative das Projekt von Mai bis Juni durchzuführen. Dabei hat man mehr Zeit, die Thematik zu vertiefen. Dabei geht es nicht darum, einen Blumenstrauß zusammenzustellen und die Geste am nächsten Tag in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern viel mehr darum, einen größeren Fokus auf die Familie zu legen.
Familiäre Vielfalt
Ein anderer Grund, der uns sehr am Herzen liegt, ist die Diversität von Familienkonstruktionen, die mit den beiden offiziellen Tagen nicht abgedeckt wird. Jede Familie ist eine Welt für sich und dementsprechend gibt es auch die unterschiedlichsten Familienstrukturen. Von alleinerziehenden Elternhäusern über Haushalte mit zwei Müttern oder zwei Vätern bis hin zu Pflegefamilien, Großfamilien oder Patchworkfamilien. Manche Kinder haben sowohl biologische als auch Adoptiveltern, andere wiederum werden von der erweiterten Familie oder von anderen Personen aus ihrem Umfeld aufgezogen.
In La Rueda wollen wir eine Umwelt schaffen, in der sich die Kinder sicher und wohl genug fühlen, ihre Familiengeschichte mit Anderen zu teilen und offen darüber sprechen zu können. Es ist sehr wichtig den Kindern von klein auf zu zeigen, dass es Familien in jeder Form und Größe gibt.
Kapitalisierung
Genau wie es mit anderen Feiertagen, wie zum Beispiel dem Valentinstag, geschieht, geraten auch Mutter- und Vatertag immer mehr in den Fokus des Konsumismus. Wochen davor wird man von allen Seiten mit Werbung bombardiert, die uns überzeugen sollen, Geld auszugeben um unsere Liebe zu beweisen. Dabei geht die eigentliche Bedeutung des Tages unter und es geht nur noch um den Drang, der uns dazu zwingt etwas zu kaufen und zu verschenken.
Leider ist es in vielen Kindergärten üblich, dass das Team mit den Kindern zu diesen Anlässen etwas bastelt. In vielen Fällen funken die BetreuerInnen dazwischen, um das Gebastelte ästhetischer zu gestalten und klischeehafte Phrasen darauf zu schreiben, die die Kinder selbst niemals so formulieren würden. Dabei handelt es sich eigentlich nur um die Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungen.
In La Rueda können wir aus Erfahrung sprechen, dass die Kinder beim Fertigstellen ihrer Kreativen Projekte an ihre Familien denken. Es ist üblich, dass sie beispielsweise ein gemaltes Bild mit nach Hause nehmen wollen, um es zu verschenken. Das machen sie aber spontan und aus eigenem Antrieb. Es ist nicht notwendig, sie dazu zu bringen, etwas nur für diesen Tag zu gestalten und zu verschenken, wenn sie es ohnehin selbstständig machen, wenn ihnen danach ist. Wir gehen daher den Mutter- und Vatertag lieber aus einer pädagogischen Perspektive an, anstatt aus einer kommerziellen.
Nuestro proyecto "La Familia"
Ziele
Das Projekt „Familien“ besteht aus 4 Hauptpfeilern:
Den Kindern durch Gesprächsrunden, Lieder und Buchlesungen die Vielfalt der Familien näher zu bringen.
Die familiäre Situation jedes Kindes und jedes Pädagogen in Gesprächsrunden zu teilen, ohne in irgendeiner Weise zu forcieren. Dazu verwenden wir Bilder von unserer Familie, einschließlich der Großfamilie.
Ein integratives Umfeld schaffen, in dem sich alle Kinder gehört und respektiert fühlen.
Einfühlungsvermögen und Verständnis bei den Kindern zu fördern.
Bei diesem Projekt stellen wir alle auf die gleiche Stufe. Die Kinder sind eingeladen, Fotos ihrer Verwandten und Angehörigen mitzubringen, aber auch das pädagogische Team beteiligt sich mit seiner eigenen Geschichte, zeigt Fotos aus seiner Kindheit und von Menschen, die in seinem Leben eine Rolle gespielt haben.
Wie ist es dieses Jahr gelaufen?
Ein Mitglied des pädagogischen Teams von La Rueda 20 hat seine persönlichen Erfahrungen mit dem Projekt geteilt:
Wir haben viel über die verschiedenen Arten von Familien gesprochen - wie Mama und Mami oder Mama und Papa oder Papa und Papa. Ich habe auch erzählt, wie meine Familie aussieht (Mama + Bonuspapa und Papa + Bonusmama. Meine Eltern sind geschieden und wieder verheiratet, aber ich betrachte sie nicht als meine „Stiefeltern“.
Die Gruppe hat immer zugehört und war sehr interessiert an den Geschichten der anderen Kinder. Wir haben über Familienkonstellationen gesprochen und darüber, wer zu ihrer Familie gehört (Schwestern, Brüder, Onkel und Tanten, usw.). Auch beim Teilen der Bilder waren sie sehr stolz und erzählten allen von ihrer Familie 🥰.
Auch die Gruppe La Rueda 20.2, die sich aus Kindern zwischen 1 und 3 Jahren zusammensetzt, zeigt ihre Version des Projekts, die an die Jüngsten angepasst ist:
Wir haben Papiere mit den Buchstaben „Familie“ beklebt, um den Raum in der Garderobe zu gestalten. In den Morgenrunden sprachen wir über das Thema Familie und sahen uns die Fotos an. Wir wählten Fotos aus und fügten ihre Kommentare hinzu, so dass sie in der Garderobe ausgestellt werden konnten und die Kinder sie dann mit nach Hause nehmen konnten.
Bücher zum Thema Familienvielfalt in Kindergärten
Heutzutage gibt es viele Quellen zu diesem Thema, denn nicht nur die großen Verlage veröffentlichen, sondern auch viele Menschen schaffen es, ihre persönlichen Geschichten in Form von Erzählungen und Comics zu veröffentlichen. In unserem Fall haben wir eine kleine Auswahl an Büchern für die Altersgruppe 4-6 Jahre getroffen, die wir aufgrund ihres Inhalts und ihrer Gestaltung als förderlich empfunden haben, obwohl sie nicht die einzigen sind, die wir lesen:
Onkel Bobbys Hochzeit
In dem Buch geht es um eine Nichte, die Angst hat, ihren Onkel Bobby zu verlieren, da sie bald heiraten wird. Nachdem sie jedoch Zeit mit Bobby und seiner Partnerin verbracht hat, kommt das kleine Mädchen zu dem Schluss, dass sie keine Aufmerksamkeit verloren, sondern zwei Großonkel gewonnen hat.
Zwei mamas für Oscar
Dieses Buch erzählt von Oscar und seinen beiden Müttern, die es nach vielen Versuchen geschafft haben, ihn mit Hilfe eines Spenders zu bekommen. Oscar erfährt die Geschichte seiner Zeugung und ist überglücklich, dass sich so viele Menschen zusammengetan haben, um ihn zu bekommen.
Mama und Mami und Ich
Dieses Mal verfolgen wir die Geschichte einer Familie, in der die Mutter auf eine Arbeitsreise geht. Laura empfindet neue Gefühle - wie Heimweh - als sie die Tasse ihrer Mutter in der Küche nicht sieht. Mama schlägt vor, eine Willkommensüberraschung für sie vorzubereiten, aber selbst dann kann Laura nicht aufhören, traurig zu sein. Mit ihr lernen wir, dass es in Ordnung ist, diese Gefühle zu empfinden.
Julian feiert die Liebe
Julian ist zu einer Hochzeit mit zwei Frauen eingeladen. Auch Marisol, seine Freundin, ist eingeladen. Nach der Zeremonie spielen sie zusammen. Marisols Kleid wird schmutzig und Julian teilt sein Hemd mit ihr und verziert es mit Blättern und Blumen. Dann kehren sie zur Hochzeit zurück und tanzen mit den beiden Bräuten, bis sie müde werden.
Und zum schluss ein bunter kuss (y para acabar, un colorido beso)
In diesem Buch geht es um verschiedene Familien und wie sie ihren Kindern gute Nacht sagen.
Zwei papas für Tango (Dos papás para Tango)
Diese Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit aus dem Zoo von Manhattan. Darin lieben sich zwei männliche Pinguine und wollen gemeinsam ein Kind großziehen. Die Tierpfleger sind jedoch anderer Meinung und beschließen, die beiden zu trennen. Von da an weigern sich die Tiere zu fressen, bis sie in dieselbe Zelle zurückgebracht werden. Dann beginnen sie, sich um einen Stein zu kümmern, als wäre er ein Ei, und gerührt von dieser Geste beschließen die Pfleger, ihnen ein echtes Ei zu geben, das auch schlüpft. Tango kommt auf die Welt und lebt glücklich mit seinen beiden Eltern.
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